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Stadt Radeberg

Pressemitteilung

Bürgerbegehren zu Gewerbegebieten nicht zulässig

24/06/20

Der Stadtrat von Radeberg hat auf seiner Sondersitzung am 19.06.2024 mit mehrheitlich gefasstem Beschluss festgestellt, dass die zwei am 30.03.2024 eingereichten Bürgerbegehren nicht zulässig sind. Es werden daher keine Bürgerentscheide zur Frage der Aufhebung der Stadtratsbeschlüsse vom 31.01.2024 zur Aufstellung der Bebauungspläne Nr. 82 „Gewerbegebiet Radeberg Ost / Arnsdorf West, Teilfläche Radeberg“ und Nr. 83 „Gewerbegebiet Radeberg Süd / Arnsdorf westlich S177, Teilfläche Radeberg“ durchgeführt.

Nach Einreichen der beiden Bürgerbegehren samt Unterschriftenlisten durch die Bürgerinitiative prüfte die Stadtverwaltung unter Hinzuziehen juristischer Beratung umfassend, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführungen eines Bürgerentscheides vorliegen.

Oberbürgermeister Frank Höhme: „Ein Bürgerbegehren ist ein demokratisches Mittel, das ich natürlich akzeptiere und auch akzeptieren muss, da ich an Recht und Gesetz gebunden bin. In der gestrigen Stadtratssitzung ging es jedoch nicht um die Fragen, wie Bürgerbeteiligung eingeschätzt wird und ob es die beiden Gewerbegebiete geben soll. Es ging einzig um die Zulässigkeit der eingereichten Bürgerbegehren. Wenn die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind, muss ein Bürgerbegehren abgelehnt werden – egal wie auch immer die Stadträte grundsätzlich zu dem Thema als solchem stehen.“

Die für ein Bürgerbegehren notwendige Zahl an Unterschriften ist jeweils erreicht worden. Hinsichtlich der Aufhebung des Beschlusses zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 82 wurden 784 gültige Stimmen festgestellt, wobei 37 Unterschriften in einer dem Bürgerbegehren entgegenkommenden Bewertung als noch zulässig ermittelt wurden. Zur Aufhebung des Beschlusses zur Aufstellung des Bebauungsplanes Nr. 83 wurden 824 gültige Stimmen eingereicht. Hierbei sind 46 Unterschriften als noch zulässig eingestuft worden.

Die Bürgerbegehren genügen jedoch nicht den vom Gesetz und in der Rechtsprechung des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts geforderten inhaltlichen Anforderungen an ein solches.

Es fehlt zunächst an einem diesen Anforderungen genügenden Kostendeckungsvorschlag. Laut Bürgerbegehren sei ein Vorschlag zur Kostendeckung nicht erforderlich, weil hiermit auf ein Unterlassen einer Maßnahme abgezielt werden würde, die nicht auf Einsparungen gerichtet sei. In der Begründung werden jedoch Befürchtungen vorgetragen, wonach die erhofften Gewerbesteuereinnahmen die Kosten für die Erschließung des Gewerbegebietes über viele Jahre nicht refinanzieren würden und dadurch andere wichtige Vorhaben in Radeberg nicht realisiert werden könnten und die Kommunen Radeberg und Arnsdorf ohne Betrachtungen zur Wirtschaftlichkeit und zur finanziellen Tragfähigkeit ein sehr großes Gewerbegebiet entwickeln wollen. Auf dieser Grundlage können die Teilnehmer eines Bürgerentscheides (wie zuvor die Teilnehmer des Bürgerbegehrens) nicht sachgerecht einschätzen, welche finanziellen Konsequenzen die Aufstellung des Bebauungsplanes zur Entwicklung eines Gewerbegebietes für die Stadt hat, da der Kostendeckungsvorschlag ihnen in finanzieller Hinsicht die Tragweite und Konsequenzen der vorgeschlagene Entscheidung nicht deutlich macht, weshalb sie in ihrer Entscheidung auch keine Verantwortung für die wirtschaftlichen Auswirkungen auf das Stadtvermögen übernehmen können. Die Gewerbegebiete haben nicht nur Ausgaben zur Folge, sondern ermöglichen nach ihrer Umsetzung auch Einnahmen (aus Gewerbesteuern bzw. aus FAG-Zuweisungen) und damit mögliche Einnahmeausfälle der Stadt, was im Kostendeckungsvorschlag nicht thematisiert wurde. Darüber hinaus beschäftigen sich die Bürgerbegehren nicht mit den erhaltenen Fördermitteln sowie den bereits bereitgestellten Eigenmitteln der Stadt für das Bebauungsplanverfahren. Hiermit stellen die Bürgerbegehren den Gesamtzusammenhang der Finanzierung der Maßnahme (hier: Aufstellen eines Bebauungsplanes für die Entwicklung eines Gewerbegebietes) und damit die sich hieraus tatsächlich für die Stadt möglicherweise entstehenden Kosten bzw. Einnahmen nicht dar.

Die beiden Bürgerbegehren verfolgen darüber hinaus ein gesetzeswidriges Ziel. Dies ergibt sich daraus, dass eine ordnungsgemäße Abwägung über einen Bebauungsplan voraussetzt, dass der Stadtrat als hierfür zuständiges Organ nicht vorgebunden ist (Verbot der Vorbindung). Zumal kein Anspruch auf die Aufstellung von Bauleitplänen besteht. Steht fest, dass ein Bürgerbegehren zur Aufstellung eines Bebauungsplanes gegen gesetzliche Regelungen verstößt, gilt dies ebenso für ein Bürgerbegehren, dass die Aufstellung eines Bauleitplanes verhindern will. Das Bauleitplanverfahren ist nur hinsichtlich der Beteiligung der Bürger in formeller und materieller Hinsicht durch das Planungsrecht selbst vorgeformt. In diesen Verfahrensablauf fügt sich das – regelmäßig auf wenige, meist auf Einzelaspekte der Gesamtplanung bezogene – Bürgerbegehren nicht ein.

Die jeweiligen Entscheidungsvorschläge der Bürgerbegehren sind auch nicht hinreichend bestimmt. Sie enthalten in Bezug auf die Kosten, wie bereits dargestellt, widersprüchliche Aussagen. Im Weiteren wird die Absicht eines interkommunalen Gewerbegebietes in Radeberg und Arnsdorf mit einer Fläche von ca.95 ha (Baubauungsplan Nr. 83) bzw. ca. 40,8 ha (Bebauungsplan Nr. 82) thematisiert, um dann weitreichende Folgen für die Zukunft nur der Stadt anzunehmen. Hierbei wird nicht berücksichtigt, dass die Stadt mit einer Teilfläche hieran beteiligt ist. Mit der Finanzierung des Bauleitverfahrens bestehend aus Fördermitteln und Eigenanteil beschäftigen sich die Bürgerbegehren nicht. Es wird jedoch die Annahme aufgeworfen, dass die möglichen Gewerbesteuereinnahmen die Kosten für die Erschließung des Gewerbegebietes über viele Jahre nicht refinanzieren würden. Damit stellen die Bürgerbegehren den Gesamtzusammenhang der Finanzierung der Maßnahme (hier: Aufstellen eines Bebauungsplanes für die Entwicklung eines Gewerbegebietes) und damit die sich hieraus tatsächlich für die Stadt möglicherweise entstehenden Kosten bzw. Einnahmen nicht dar. Dies ist für eine sachgerechte Einschätzung der Folgen der Beantwortung der durch die Bürgerbegehren aufgeworfenen Frage jedoch erforderlich. Derjenige, der für ein Bürgerbegehren unterschreibt, muss dem Antrag das Ziel des Bürgerbegehrens klar entnehmen können. Außerdem muss die Begründung jedermann allein zur Urteilsbildung genügen und darf keinen Interpretationsspielraum lassen. Dies ist nicht gegeben.

Die beiden Bürgerbegehren erfüllen somit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Durchführungen eines Bürgerentscheides nicht, weshalb sie vom Stadtrat als unzulässig erklärt wurden. Einen Ermessensspielraum haben Stadträte bei der Feststellung der (Nicht-)Zulässigkeit von Bürgerbegehren nicht. Den beiden Beschlussvorlagen der Stadtverwaltung folgten je elf Stadträte. Je acht Stadträte sprachen sich dagegen aus. Hinzu kam je eine Stimmenenthaltung.

Gegen den Bescheid, der nun im Nachgang der Stadtratssitzung an die Initiatoren des Bürgerbegehrens versendet wird, können diese Widerspruch einlegen. Darüber hätte dann die Rechtaufsicht des Landratsamtes Bautzen zu entscheiden.

Hintergrund

Der Stadtrat von Radeberg hat am 31.01.2024 die Aufstellung von Bebauungsplänen für zwei Gewerbegebiete beschlossen. Die eine Fläche umfasst auf Radeberger Flur ca.34,2 ha und befindet sich zwischen Radeberg und Wallroda. Die andere Fläche liegt zwischen Radeberg, Großerkmannsdorf sowie Kleinwolmsdorf und betrifft ca. 22 ha auf Radeberger Flur. Die beiden Gewerbegebiete sind ein interkommunales Projekt mit der Gemeinde Arnsdorf und umfassen bis zu 135 ha. Auf Grundlage der Förderrichtlinie des Sächsischen Staatsministeriums des Innern haben beide Kommunen je eine Projektförderung als Anteilsfinanzierung erhalten. Bei Radeberg handelt sich dabei um einen Fördersatz in Höhe von 55 Prozent der zuwendungsfähigen Ausgaben von insgesamt rund 350.000 Euro.

Am 30.04.2024 hat eine Bürgerinitiative zwei Anträge sowie Unterschriftenlisten für zwei Bürgerbegehren bei der Stadtverwaltung Radeberg eingereicht. Die Bürgergehren wenden sich gegen die beiden Stadtratsbeschlüsse vom 31.01.2024. Es handelt sich daher um kassatorische Bürgerbegehren: Ziel der Initiatoren ist es, die Stadtratsbeschlüsse aufzuheben und stattdessen die stimmberechtigten Einwohnerinnen und Einwohner in einem Bürgerentscheid selbst bestimmen zu lassen, ob Bebauungspläne für diese zwei Gewerbegebiete aufgestellt werden sollen.